
Spätestens wenn du feststellst, dass dich jemand der noch nicht mal halb so lange Gitarre spielt wie du schon weit überholt hat mit seinen Fortschritten auf der Gitarre oder E-Gitarre, solltest du dir Gedanken manchen über richtiges, strukturiertes Üben...
"Üben nach Plan" kann erstmal sehr nach Schule klingen und nach Leistungsdruck usw. und vermutlich schreckt das den einen oder anderen auch ab. Aber das ist es nicht wirklich: Denn planvolles Üben bedeutet einfach, dass du deine Ziele viel schneller erreichst und langfristig viel mehr Freude beim Üben entwickelst! Und du wirst es sehr genießen planvoll vorwärts zu kommen um quasi täglich zu spüren wie du immer besser wirst! Glaube mir, das ist ein tolles Gefühl...
Aber bevor wir darauf zurückkommen wie du dir selbst einen geeigneten und vor allem realistischen Plan entwickeln kannst, möchte ich dir vorab eine kurze Geschichte erzählen: Bei meiner letzten Wohnung hatten wir etliche Heizungsausfälle, vor allem zu Beginn des Mietverhältnisses. Die alte Gasetagenheizung fiel immer wieder mal mitten im Winter aus, es war erbärmlich kalt und statt eine neue Heizanlage zu installieren, beauftragte der Vermieter stets den gleichen Gasinstallateur-Betrieb zur Reparatur. Und die schickten immer denselben Mitarbeiter (der bei mir im Verdacht stand nur "angelernt" zu sein, denn er bekam nie etwas auf die Reihe im Gegensatz zu seinen Kollegen...) Und so kam es, dass bei jedem neuen Heizungsausfall derselbe Mitarbeiter auftauchte und sich folgendes Ritual wiederholte:
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Der Mitarbeiter drückte einen roten Knopf am Heizbrenner und hoffte darauf, dass sich etwas verbessern würde... aber es passierte - wie immer! - nichts! Da war kein weiteres Aufschrauben des Gerätes, keine technische Analyse, kein Überprüfen der Kontakte und Leitungen... er drückte immer wieder ein und denselben Knopf und hoffte auf ein Wunder. Doch das Wunder trat nie ein. Nach einer gefühlten Ewigkeit - das Ritual kannte ich bereits in und auswendig - rief er einen seiner Kollegen an (vermutlich einen gelernten Meister), schilderte das Problem und der Kollege sagte ihm dann was zu tun sei. Mal konnte so die Heizung wieder für ein paar Wochen in Gang werden, mal musste der Kollege persönlich anrücken. (Dann hielt es meist länger bis zum nächsten Ausfall) Aber unser Mitarbeiter vor Ort hielt weiter an seinem Ritual fest und lernte absolut nichts dazu.
Was das alles mit unserem Übungsplan zu tun hat, erfährst du im nächsten Abschnitt. :-)

Vielleicht musstest du ein wenig schmunzeln bei meiner Geschichte über den Mitarbeiter mit dem roten Knopf. Vielleicht hast du aber auch dich selbst bereits in der Geschichte wiedererkannt... als jemand der stets dasselbe macht und dabei hofft, dass es besser wird... anstatt die vielen anderen Optionen auszuprobieren und mit einem strukturierten Plan anzugehen. Immer exakt dasselbe zu machen und darauf zu hoffen, dass es zu neuen Ergebnissen führt, grenzt meist an ein Wunder. (Böse Zungen halten es gar für die Definition von "Wahnsinn"...) Jedenfalls hätte der Mitarbeiter zahlreiche weitere Optionen gehabt, statt stets immer nur denselben Knopf zu drücken. Er hat sie aber nie genutzt, wohl weil er erst gar nicht auf die Idee kam.
Zum sinnvollen Üben kannst du hier dieses Metronom nutzen:
Und exakt so geht es vielen Musikern beim Üben: Sie kommen gar nicht erst auf die Idee etwas anderes auszuprobieren oder anders zu machen, einfach weil sie keinen Plan haben. So wie der Mitarbeiter (im Gegensatz zu seinem Kollegen der nach einem strukturierten Plan alles überprüfte) planlos ein Gerät reparieren wollte, so planlos üben viele (wenn nicht die meisten) Musiker! Sie drücken metaphorisch betrachtet immer wieder ein und denselben Knopf und hoffen auf Fortschritte. Die sich aber oft nicht einstellen oder auch nur in sehr geringem Maße... und irgendwann rufen sie beim "Meister" an, in dem Fall bei einem professionellen Gitarrenlehrer. Jetzt ist guter Unterricht vor Ort sicherlich die beste (leider auch die teuerste) Lösung zum Vorwärtskommen. Aber wäre es nicht schön auch vollkommen unabhängig große und vor allem rasche Fortschritte zu erzielen?
realiistische Ziele beim Üben
Denn genau darum geht es: Sich realistische Ziele zu setzen und mit einer gewissen Struktur daran zu arbeiten! Zu überlegen was kann ich schon ganz gut und was kann ich nicht? Wohin soll die Reise gehen? Und immer mit einbeziehen, dass Musikmachen - in diesem Beispiel-Fall E-Gitarrespielen - weit mehr ist als nur die Spieltechnik zu beherrschen. Viel mehr geht es auch ums Hören, um Rhythmik, um harmonisches Basiswissen und viele Dinge mehr. Es geht darum die ureigensten Bedürfnisse mit der erreichbaren Zielen abzustimmen und daraus einen Übungsplan zu entwickeln - ganz individuell auf deine Bedürfnisse angepasst. Es reicht also nicht Akkorde und Tonleitern zu üben, sondern es geht um Phrasierung, Begleitung, Improvisation, Ausdruck, Spielgefühl und vieles mehr was in Einklang zu bringen ist.
Entsprechend sollte man sich auch die Zeit einteilen, denn was nützt es ein gutes Solo spielen zu können, wenn man bei der Rhythmusgitarre kläglich versagt? Oder wenn man nur auswendig Gelerntes abspulen, aber keine eigenen Ideen entwickeln und schon gar nicht improvisieren kann... wenn du auch nach Jahren nicht in der Lage bist dir einfach Melodien selbst herauszuhören.? Die verschiedensten Facetten des Musikmachen sollten berücksichtigt und auf deine Bedürfnisse zugeschnitten werden. Denn jemand der Jazzgitarre lernen möchte, braucht z.B. ein viel tieferes harmonisches Musikverständnis als jemand der Rockgitarre spielt und sich aber mit bestimmten Spieltechniken dafür noch schwer tut. Es geht darum je nach Ziel und verfügbarer Zeit seinen Übungsplan flexibel anzupassen.
Und was man nie vergessen sollte: Es geht auch um die eigene Balance! Jeder Mensch ist anders und der eine kann stundenlang diszipliniert Technikübungen spielen, während andere lieber stundenlang frei improvisieren. Beides ist ok. Aber die richtige Balance zwischen Vorwärtskommen (Disziplin) und Spielfreude (Drauflosspielen) muss jeder für sich selbst herausfinden. Daher rate ich auch NIE all deine verfügbare Zeit nur zum "Üben nach Plan" aufzuwenden, sondern dich nach einer Übungseinheit selbst zu belohnen mit etwas "planlosem" Spielen. Das ist wichtig, damit man die Freude nicht verliert und der Plan ist ebenso wichtig, damit man kontinuierlich vorwärts kommt.
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(E-Gitarre) üben mit STruktur
Auch wenn ich diesen Beitrag vorwiegend der E-Gitarren-Perspektive widme, so gelten die Voraussetzungen zum richtigen Üben auch für alle anderen Musikinstrumente. Du kannst dir dabei die verschiedenen Aspekte des Übens wie Unterrichtsfächer vorstellen. Überlege was du alles in den nächsten drei Monaten üben möchtest: z.B. deine Spieltechnik und Fingerfertigkeit verbessern, ein besserer Rhythmusgitarrist werden, dein Gehör verbessern, dein Verständnis von Musiktheorie erweitern, Noten lesen oder Tabulatur besser lesen lernen, eine bestimmte Spieltechnik lernen oder verbessern (z.B. das "Saitenziehen", das sehr auf den Punkt geübt werden sollte) oder ggf. sogar das gezielte Üben von Songwriting und Songaufbau.
Du musst nicht immer alles gleichzeitig üben, aber es ist gut sich Abschnittsziele von ca. 6 bis 12 Wochen zu stecken. Wenn du eine Tonleiter oder einen bestimmten Lauf in Achteln bis Tempo 60 BPM sauber zum Metronom spielen kannst, könntest du dir vornehmen dieselbe Tonleiter oder denselben Lauf in einigen Wochen bei Tempo 80 oder 100 sauber zum Metronom mitzuspielen. Wenn deine rhythmischen Fähigkeiten noch eingeschränkt sind, gilt es ein Rhythmus-Repertoire aufzubauen und ggf. zunächst das rhythmische Notenlesen / Tabulaturlesen zu lernen. Ähnliches gilt fürs Gehör, indem man zunächst trainiert einfache Intervalle zu hören. Und ein wenig Harmonielehre- und Noten-Kenntnisse schaden auch nie. Letztere vereinfachen vor allem die Kommunikation mit Musiker-Kollegen, wenn man z.B. gezielt sagen kann "Lass uns den A7-Akkord auf die Zählzeit 2 im dritten Takt betonen".
so könnte dein übungsplan aussehen
Nehmen wir an du hast 5 Tage die Woche je 90 Minuten Zeit zum Üben und Spielen. Dann könnte dein Übungsplan für die kommenden Wochen zum Beispiel so aussehen:
Tag 1:
5 min. einfache Warm Up Übungen
15 min. Rhythmusgitarre üben zum Metronom (rhythmische Figuren wechseln))
20 min. Fingerfertigkeit verbessern (Tonleiter und /oder technische Übung zum Metronom, dabei Tempo steigern)
20 min. Spieltechnik Bending (Saitenziehen) üben - Ganzton-Bendings in der 5. Lage, Intonation beachten
30 min. freies Spiel: Rumdudeln, bekannte Riffs oder Licks nachspielen, "frei Schnauze" improvisieren
Tag 2:
5 min. einfache Warm Up Übungen
15 min. rhythmische Notation (Noten oder Tabulatur spielt dabei keine Rolle) lesen lernen
20 min. Fingerfertigkeit verbessern(Tonleiter und /oder technische Übung zum Metronom, dabei Tempo steigern, etwas langsamer beginnen als das höchste Tempo des Vortages und dann noch schneller steigern)
20 min. Spieltechnik Bending (Saitenziehen) üben - Ganzton-Bendings in der 10. Lage, Intonation beachten
30 min. freies Spiel: Rumdudeln, bekannte Riffs oder Licks nachspielen, "frei Schnauze" improvisieren
Tag 3:
5 min. einfache Warm Up Übungen
15 min. Rhythmusgitarre üben zum Metronom (eine andere rhythmische Figur als an Tag 1)
20 min. Fingerfertigkeit verbessern (Tonleiter und /oder technische Übung zum Metronom, dabei Tempo steigern)
20 min. Gehörbildung: Spiele wahllos kleine und große Terzen auf der Gitarre und versuche sie mitzusingen - so lernst du diese Intervalle zu hören, was unerlässlich ist, wenn man später mal Akkorde oder ganz Akkordfolgen hören bzw. heraushören möchte...
30 min. versuche nach Gehör die ersten drei Akkorde eines beliebigen Songs herauszuhören oder spiel was immer du möchtest
Tag 4:
5 min. einfache Warm Up Übungen
15 min. rhythmische Notation (Noten oder Tabulatur spielt dabei keine Rolle) lesen lernen
20 min. Fingerfertigkeit verbessern (Tonleiter und /oder technische Übung zum Metronom, dabei Tempo steigern, etwas langsamer beginnen als das höchste Tempo des Vortages und dann noch schneller steigern)
20 min. Spieltechnik Bending (Saitenziehen) üben - Halbton-Bendings in der 5. Lage, Intonation beachten
30 min. übe freies Spiel indem du abwechselnd einen A-Moll-Akkord spielst und dann dazu improvisierst - d.h. immer 1 oder 2 Takte Akkord-Begleitung und dann 1 oder 2 Takte Solospiel / Improvisation
Tag 5:
5 min. einfache Warm Up Übungen
25 min. Wiederhole Spieltechnik-, Fingerfertigkeit- und Rhythmusgitarre Übungen aus den Tagen 1 - 4
30 min. wiederhole die Gehörbildungsübungen vom Tag 3
30 min. nehme über eine Recording App für dein Smartphone 5 min. Rhythmusgitarre nur über den Akkord A-Dur oder A7 auf. Achte darauf das Tempo zu halten! Versuche nur zu deiner selbst aufgenommenen Begleitung zu improvisieren, z.B. mit der A-Dur- oder auch A-Moll-Pentatonik. Achte dabei auf das Timing deiner aufgenommenen Rhythmusgitarre und ggf. auf Temposchwankungen. Höre genau zu was auf der Begleitung zu hören ist und versuche "eins" zu werden mit der Begleitung in puncto Spielgefühl.
Das hier ist wie gesagt nur einer von vielen möglichen Beispiel-Plänen. Er muss nicht ansatzweise auf DEINE Bedürfnisse zugeschnitten sein! Denn genau darum geht es hier: Erstelle einen Plan - überlege gut... - nach deinen Wünschen und Zielvorhaben. Und du wirst sehen, dass es am Anfang meist etwas Überwindung kostet nach einem straffen Zeitplan zu üben, aber die Ergebnisse nach einigen Wochen dich auch reichlich belohnen werden! Denn mit so einer Übungs-Struktur kommst du einfach wesentlich schneller voran und das treibt auch wieder deine Spiel-Motivation nach oben. Wer strukturiert übt, kommt nicht nur besser voran, sondern wird langfristig auch die viel größere Spielfreude entfalten. Und je mehr Freude du beim Spielen hast, desto eher kannst du auch deinen Alltags-Stress abbauen, das ist alles längst eindeutig wissenschaftlich untersucht und belegt.
verbessere deine Fingerfertigkeit mit einem ausgefeilten Übungsplan!
In diesem Abschnitt möchte ich dir noch ein augeklügeltes Trainings-Programm zur Verbesserung deiner Fingerfertigkeit vorstellen:
Es dreht sich hier um mein 60-seitiges Heft "E-Gitarre Training - Fingerfertigkeit am Griffbrett" - basierend auf Übungen in verschiedensten Fingersätzen in Noten & Tabulatur mit zahlreichen ergänzenden Hinweisen - das allein 130 Fingerübungen bereitstellt und einige zusätzliche Licks. Am Ende des Heftes gibt es das Kapitel "Übungsplan" mit einem Abschnitt zur Methode des "Superlearning", das auch an verschiedensten Bildungseinrichtungen zm Tragen kommt.
Mein Trainingsheft behandelt in 10 Kapiteln die verschiedenen Fingersätze der Dur-/Moll- und Pentatonik-Skalen. Die Übungen werden meist in Sechzehnteln, Triolen oder auch Sechzehntel-Triolen gespielt. Es ist also definitiv nichts für Anfänger.
Pro Fingersatz / Lage starten die Übungen dennoch relativ leicht und werden dann zunehmend komplexer. Zu jedem Abschnitt gibt es dann noch einen Lick (und zu dem einen oder anderen Lick auch ein Video zum ergänzenden Download...), der natürlich praxisnäher klingt als so manche Übung (die vornehmlich der Fingerfertigkeit dient).
Schon mit wenigen Minuten täglichem Training, kannst du mit diesen Übungen deine Fingerfertigkeit enorm verbessern! Der Übungsülan am Ende des Heftes hilft dir dabei deine Ziele klar festzulegen und zu verfolgen, ganz auf deinem persnönlichen Level. (Je nach persönlichem Spiel-Level kannst du die Übungen langsam oder schneller üben...)
Erfahre mehr... erhältlich in meinem Tunesday Shop
Schlussbemerkung zum Üben nach Plan
Schon seit vielen Jahren komme ich selbst kaum noch zum Üben, da meine musikalischen Tätigkeiten (vom Songwriting zur Musikproduktion und Entwicklung neuer Kurse oder neuer Blog-Artikel wie diesen hier...) zu vielseitig und zeitaufwändig geworden sind. Mit anderen Worten: Ich zehre von der Vergangenheit bzw. dem was ich in der Vergangenheit mal geübt habe! Und da habe ich - vor allem in meinen frühen Zwanzigern - in erster Linie sehr strukturiert nach Plan geübt mit allem was dazu gehört: Rhythmik, Harmonielehre, Gehörbildung, Spieltechnik, Fingerfertigkeit, Improvisation, Notenlesen und vieles mehr. Das ermöglichte mir einer Reihe von Jobs nachgehen zu können vom Studiogitarristen bis zum Live-Musiker, vom Gitarren-Dozenten zum Musik-Dienstleister...
Nie bin ich so gut vorwärts gekommen beim Gitarrespielen wie in dieser Zeit als ich oft stundenlang meinen Übungsplan abarbeitete! Das klingt nach Arbeit... war teilweise auch hartes Training - aber ich werde keine einzige Minute davon bereuen! :-)
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